ALTKATHOLIKEN
Geschichte
Wollte man eine ausführliche Geschichte des Altkatholizismus schreiben, müsste man auf eine Reihe innerkatholischer Widerstandsbewegungen eingehen – für den österreichischen Bereich etwa besonders auf den Josefinismus - , die im wesentlichen da Ziel hatten, unter Beibehaltung des Glaubensgutes der alten, ungeteilten Kirche (bis 1054) jene Elemente auszuschalten, die eine Sonderentwicklung der Kirche von Rom darstellen. Hier soll die Schilderung jener Ereignisse genügen, die direkt zur Bildung der altkatholischen Kirchen der Utrechter Union geführt haben.
Als auf dem Ersten Vatikanischen Konzil 1869/70 gegen den Widerstand einer relativ großen Minorität die beiden Dogmen von der Unfehlbarkeit des Papstes und seiner bischöflichen Allgewalt beschlossen wurden, fanden sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz jene Katholiken zusammen, die sich gewissensmäßig mit den neuen Dogmen nicht anfinden konnten. Sie wollten zunächst keine eigene Kirche gründen, wurden aber meist aus staatskirchenrechtlichen Gründen dazu gezwungen. Große Unterstützung erfuhren sie durch die Kirche in den Niederlanden, wo sich bereits 1723 eine Gruppe von Katholiken mit dem Erzbischof von Utrecht von Rom losgesagt hatte.
In Österreich hatte die Haltung der Bischöfe auf dem Konzil wie auch die der Regierung anfänglich Anlass zur Vermutung gegeben dass es zu einer größeren altkatholischen Bewegung kommen werde. Da aber sowohl Bischöfe als auch Regierung aus nationalpolitischen Gründen einlenkten, hatte die altkatholische Sache bald einen schweren Stand.
Trotzdem kam es rasch zu Gemeindebildungen. In Wien fand sich eine große Zahl von „Altkatholiken“, deren erster Seelsorger, Pfarrer Alois Anton, im Oktober 1871 in der St.-Salvator-Kapelle den ersten altkatholischen Gottesdienst feiern konnte. Zwei weiter Zentren bildeten sich in Warnsdorf (Nordböhmen) und in Ried im Innkreis. Allerdings wurden die Altkatholiken Unterdrückungen ausgesetzt. Die von ihren Seelsorgern vorgenommenen Amtshandlungen waren ungültig, und wenn altkatholische Pfarrer selbst eine Ehe eingingen, galten ihre Kinder als unehelich. Erst nach langen und schwierigen Verhandlungen erfolgte 1877 die staatliche Anerkennung. Die Wahl von Bischöfen wurde erst 1926 möglich.
Organisation
Durch den Zusammenbruch der Donaumonarchie kam es zur Trennung des bisherigen durch eine Bistumsverweser verwalteten Bistums in ein österreichisches mit Sitz in Wien und ein tschechoslowakisches mit Sitz in Warnsdorf.
Die Altkatholische Kirche Österreichs ist maßgeblich an allen ökumenischen Veranstaltungen und Institutionen beteiligt. Mit den Altkatholischen Kirchen Deutschlands, der Niederlande, der Schweiz, Polens, der Tschechoslowakei, Jugoslawiens und der USA ist sie in der Utrechter Union verbunden.
Lehre
Die Altkatholiken halten an der Lehre der alten, ungeteilten Kirche des ersten Jahrtausends fest. Wie der Orthodoxen, denen sie in vielem nahe stehen, und die Anglikaner, mit denen sie in voller Kirchengemeinschaft verbunden sind, anerkennen sie daher nur die ersten sieben ökumenischen Konzile. Sie haben die Siebenzahl der Sakramente beibehalten, lehnen aber die Zwangsohrenbeichte ab und empfangen das Abendmahl in beiden Gestalten. Das dreifache Amt – Diakon, Priester und Bischof – ist in apostolischer Sukzession, die auch von der Kirche von Rom anerkannt wird, erhalten.
Viele der heute in der römisch-katholischen Kirche teilweise durchgeführten oder erstrebten Reformen sind in der altkatholischen Kirche von Anbeginn an verwirklicht worden: Muttersprache im Gottesdienst und bei allen Amtshandlungen, Aufhebung des Zölibatszwanges, demokratische Verfassung und Verwaltung. Daher ist das Laienelement maßgeblich an der Leitung der Kirche beteiligt.
Die altkatholischen Kirchen sind im Grunde nationale Episkopalkirchen. Die Bischöfe der altkatholischen Bistümer bilden gemeinsam die Internationale Altkatholische Bischofskonferenz, deren Ehrenvorsitzender der jeweilige Erzbischof von Utrecht ist. Im Sinne altkirchlicher Reform wird übertriebener Heiligenkult abgelehnt, Wallfahrten und Wallfahrtsorte gibt es nicht, Weihrauch und Weihwasser werden nicht verwendet. Maria wird als Mutter des Herrn verehrt. Aber es gibt keinen spezifischen Marienkult. Die Dogmen von der „Unbefleckten Empfängnis“ und der „Leiblichen Himmelfahrt Mariae“ werden abgelehnt, weil die Altkatholiken auf dem Standpunkt stehen, dass die Bibel die Glaubensgrundlage ist und die Tradition nur insoweit anzuerkennen sei, als sie aus der Bibel belegbar ist bzw. dem biblischen Befund nicht widerspricht. Die Altkatholiken sind sehr tolerant, daher werden Gewissenfreiheit und Freiheit in der theologischen Forschung hoch bewertet. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil kommt es zu einer brüderlichen Annäherung zwischen der altkatholischen und der römisch-katholischen Kirche, obwohl die Altkatholiken nach wie vor strikt auf der Ablehnung der beiden Papstdogmen bestehen.
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